- und im Bewerbungsverfahren zur Aufnahme in die Liste der bedrohten Kultureinrichtungen.
Kunst und Kultur sind sehr imageprägend. So spricht man in Kassel gemeinhin von der Kulturfabrik Salzmann, wenn man gen gewaltigen Industriekomplexes Salzmann meint, in dem die Kulturfabrik über Jahrzehnte eine Etage kulturell belebte. Im Oktober 2012 feierte die Kulturfabrik Salzmann ihr 25jähriges BEstehen. Ob es auch ein FORTbestehen gibt, ist dagegen völlig unklar, denn allen Mietern wurde zum Ende September gekündigt. Perspektive: völlig unklar. Im Gespräch mit der LAKS äußert sich Oliver Leuer zu Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Kulturfabrik Salzmann.
Oliver, wie lautet die Gründungsgeschichte der Kulturfabrik Salzmann?
Musikerinnen und Musiker und andere Künstlerinnen und Künstler werden 1980 vom Industriekomplex Kadruf in Kassel-Bettenhausen wegen der Sanierung und Umwandlung in einen Firmenpark verdrängt. Für Kulturschaffende gibt es keinen Platz mehr. In der Salzmannfabrik entsteht daraufhin eine Kunst- und Kulturszene, aus der heraus 1986 ein gemeinnütziger Verein gegründet wird, der die Kulturwerte pflegt und seit 1987 Veranstaltungen durchführt. Das erste Kulturfestival zur documenta 8 auf drei Etagen der ehemaligen Schwerweberei trägt den Titel "hat hat": Ein Antriebssignal für Kameltreiber und der Aufruf zur Revolution. Das war der Anfang, und aus der Nachfrage entstand eine fortgesetzte Kunst- und Kulturarbeit mit Musik, Theater, Stadtteilarbeit. Schwerpunkte waren und sind die Nachwuchsförderung, die Bereitstellung von Produktionsmitteln und -räumen, das Schaffen von Freiräumen, die Vernetzung der Akteure im Stadtteil Bettenhausen, in der Stadt Kassel und in der nordhessischen Region, der Auf- und Ausbau von Kooperationen.
Wie ging es weiter? Welche Etappen gab es im Verlauf der vergangenen 25 Jahre? In den 90er Jahren beispielsweise galt die Kulturfabrik Salzmann als einer der bundes- oder gar europaweit angesagtesten Clubs...
1989 wurde umgebaut, und zwar für ein zweigleisiges Konzept. "Aufschwung Ost", später "Stammheim". Das war Disco zum Geldverdienen, um Miete zahlen zu können. Das war die legendäre Zeit der "Factory". Parallel ein innovatives Kulturangebot: 1992 zur documenta IX realisierten wir das "documenta dance-Festival": u.a. zeitgenössischer Tanz, das 1. Internationale Tanzfestival und Präsentation von Dance Club-Stars der zeitgenössischen elektronischen Musik in Kassel.
Was sind derzeit eure aktuellen Arbeitsschwerpunkte?
Im Rahmen der "Offenen Bühne" Musikveranstaltungen mit aufstrebenden Nachwuchsbands, jungen Solistinnen und Solisten, gelegentlich Gastspiele von "Kultbands", beispielsweise SICK OF IT ALL oder BROILERS, ein breites Spektrum von Theaterproduktionen: 2012 vor allem "Darstellendes Spiel" von und mit Kasseler Schülerinnen und Schülern sowie interessante Aufführungen mit Studierenden der beiden Kasseler Schauspielschulen, Stadtteilmanagement, Kunstaustellungen von Studierenden der Kunsthochschule, Poetry Slams, Festivals: im Jubiläumsjahr zum 9. Mal das vielbeachtete interdisziplinäre und internationale Free Flow Festival, das Trashfilmfestival, immerhin das siebte, Workshops wie Didgeridoo oder afrikanisches Trommeln, Ausbau der Verwaltung, Personalfragen. Und immer wieder verhandeln, konzeptionieren, akquirieren, vernetzen, hoffen!
Im Rahmen eurer Jubiläumsfeier finden sich Theater, Musik, Lyrik, Bildende Kunst oder Tanz als Programmpunkte. Zufall oder eine bewusste Mischung, die für die Philosophie der Kulturfabrik Salzmann steht?
Zufall! ... Kein Zufall. Vielfalt statt Einfalt ... , kulturelle "Anstiftungen" und die immer nachgefragten kulturellen Erscheinungsformen bei den Präsentationsanlässen.
Die Zukunft des Standortes Salzmann ist seit Jahren in einem Geflecht aus stadtentwicklungspolitischen und wirtschaftlichen Interessen verheddert, exemplarisch genannt seien die Diskussionen um eine Multifunktionshalle oder aktuell um das Technische Rathaus. Zum Zeitpunkt dieses Interviews steckt ihr gerade in einer ganz heißen Phase. Was ist der aktuelle Stand der Dinge?
Mitten in den Vorbereitungen für unser Jubiläum ging plötzlich im Büro das Licht aus. Kein Telefon, kein Internet ... Erst eine einstweilige Verfügung an den Eigentümer brachte wieder Licht ins Dunkel. Fünf Stunden vor Beginn der Veranstaltung wurde das mittlerweile zum Provisorium geschrumpfte Ausstellungsvorhaben "25 Jahre Plakate der Kulturfabrik Salzmann im Eingangsbereich des Gebäudes "untersagt". Ein eilig an die Eingangstür geklebter Zettel besagte zudem "Betreten der Baustelle verboten". Der offizielle Teil der Jubiläumsfeier fand im Freien statt. Wenigstens war es warm draußen.
Ist die "Kulturfabrik Salzmann" an den bisherigen Ort gebunden? Oder gibt es Ideen und Möglichkeiten, die Philosophie der Kulturfabrik an einen anderen Ort umzutopfen?
Philosophie, eine Pflanze wie Unkraut. Wir sind ja derzeit gern auch mobil ..., waren wir immer, der Sozialraum spielte immer mit. Wir waren nie nur hier ..., also da.
Kannst du derzeit eine Prognose abgeben, wie es - oder ob es überhaupt - mit der Kulturfabrik Salzmann weiter geht?
Es geht so weiter... so! Das ist meine Prognose ..., die nächste Generation wartet schon.
Gibt es an dieser Stelle noch etwas, was du loswerden möchtest?
Danke an alle, die uns unterstützen und mitarbeiten und deren Herzen für die Soziokultur schlagen oder für die Kunst und Kultur, wie wir sie pflegen und hegen. Schade um das Fabrikensemble. Schade um die Fledermäuse und die Turmfalken. Schade um die Bäume, die hier schon gefällt wurden. Schade Kassel, schade Investor. Das Glas ist aber doch noch halb voll.
Oliver, vielen Dank und alles Gute für die Zukunft.
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Biographische Angaben:
1962 Hannover - Landkönig
1966-77 Berlin - Musiker
seit 1987 Kassel - Amme bei Salzmanns