Mir und uns macht dieser Mix sehr viel Spaß

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Das denkmalgeschützte Bahnhofsgebäude in Hofgeismar-Hümme stand seit langem leer und drohte zu verfallen. Eine Arbeitsgruppe aus interessierten Hümmer Bürgern hat im Rahmen einer Machbarkeitsstudie intensiv alle Nutzungsmöglichkeiten diskutiert. Nach dem Vorbild der Mehrgenerationenhäuser des Bundesfamilienministeriums wurde ein Ort der Begegnung aller Generationen geplant. Ein offener Treff mit zahlreichen Angeboten für Betreuung, Beratung, Weiterbildung und Nachbarschaftshilfe als Anlaufstelle für Kinder und Jugendliche, Erwachsene und Ältere sollte entstehen. Und auch das kulturelle Angebot des Ortes sollte hier ausgebaut werden.

Für den Betrieb des Hauses gründete sich der Verein „Generationenhaus Bahnhof Hümme“, dem als eingetragener Verein auch die Gemeinnützigkeit zugesprochen worden ist. Es wurde ein langfristiger Nutzungsvertrag zwischen der Stadt Hofgeismar als Eigentümerin des Gebäudes und dem Verein geschlossen.

 

Lieber Peter, wann seid ihr denn gestartet und wie kam es zu eurer Initiative?

Ja es war so etwa 2010, wir sind ja ein altes Bahnerdorf, sind Bahnaffin, viele Bahnangestellte sind damals nach Hümme gezogen, haben hier gebaut, viele arbeiten bei der Bahn. Aber der Bahnhof war nicht mehr in Nutzung und drohte zusammenzustürzen. Es war schon eine Ruine geworden, aber wenn das Dach dann einstürzt, dann wird es ja ganz schlimm und das tut vielen in der Seele weh. Also haben wir uns überlegt „Was kann man denn mit einem Bahnhof machen?“

Denn diese Nutzung ist ja das Entscheidende, wenn man sich mit so einen Objekt auseinandersetzt und es sanieren will. Also haben wir erstmal ein Nutzungskonzept gemacht, bevor wir ein Sanierungskonzept gemacht haben. Und damit sind wir 2010 dann angefangen, 2011 und haben 2012 den Verein gegründet, um dann letztendlich das Ganze fertig zu konzipieren und dann mit der Politik zu sprechen und das Gebäude zu erwerben und zu sanieren.

 

Nun habe ich gelesen, dass ihr, wenn ihr 2012 so begonnen habt, gleich 2013 schon mit einem großen Problem zu kämpfen hattet: Und zwar einer Finanzierungslücke von fast 97.000€, die ja durch Kürzungen zustande gekommen ist. Wie gings da weiter? Wie seid ihr da rausgekommen?

Naja, man muss sich vorstellen, das Gebäude gehörte der Deutschen Bahn. Und ein kleiner Verein, der sich hier im Dorf gegründet hat, kann so ein Projekt nicht stemmen. Also haben wir die Stadt Hofgeismar, wir sind Stadtteil der Stadt Hofgeismar, gebeten das Gebäude zu kaufen und die Sanierungen durchzuführen und dafür Zuschüsse in Anspruch zu nehmen. Das ist politisch auch ganz munter diskutiert wurden, aber diese besagte Deckungslücke war nu mal im Raum und die Politik hat gesagt „Hier hör mal, wenn ihr das Gebäude unbedingt haben wollt, dann müsst ihr sehen, wo ihr das Geld herbekommt“. Dann haben wir uns hingesetzt und überlegt, wie wir es machen können. Wir haben die Planung etwas umgestaltet und die Standards etwas gesenkt, sodass es günstiger geworden ist. Die evangelische Kirchengemeinde ist mit eingestiegen und hat ihr eigenes Dorfgemeinschaftshaus geschlossen, wie auch die Stadt ihr Dorfgemeinschaftshaus geschlossen hat. Wir hatten zwei die parallel betrieben wurden und beide nicht mehr zukunftsfähig waren. Beide Häuser sind also hier vereint wurden und wir haben sehr viel Eigenleistung eingeplant. Und durch die Eigenleistung haben wir so viel Geld eingespart, dass die Politik gesagt hat, dann machen wir es. Dann kaufen wir das Gebäude von der Bahn und dann machen wir die Sanierung des Hauses, im Prinzip die Außenhülle und die Technik des Hauses. Und alles andere hat der Verein in Eigenleistung dann hergestellt. Und wir haben einen Vertrag mit der Stadt geschlossen, um das Gebäude zu betreiben, nachdem es dann fertig war. Und so machen wir es nach wie vor.

 

Und dann machen wir einen großen Zeitsprung. Was würdest du sagen wo steht ihr jetzt und was sind so eure Aktivitäten?

Naja, wir sind im Oktober 2015 in Betrieb gegangen und ich weiß noch im ersten Monat haben wir gesagt wir machen jeden Tag eine Veranstaltung. Das war ganz spannend. Jeden Tag was Neues so auf die Beine zu stellen. Und das haben wir deswegen gemacht, um das Ganze ins Laufen zu kriegen. Und es fing schnell an zu laufen. Und es fing immer mehr an zu laufen. Inzwischen haben wir über hundert Veranstaltungen im Monat, viele laufen auch parallel. Wir haben sehr viele Ehrenamtliche, fünfzig ehrenamtliche Leute, die mithelfen, die verschiedenste Sachen hier im Haus zu machen. Wir haben aber auch eine ganze Reihe von Hauptamtlichen inzwischen oben im Großraumbüro. Denn ein Haus in der Größenordnung kann man ehrenamtlich nicht mehr allein organisieren. Also diese Kombination Hauptamt und Ehrenamt tut uns sehr sehr gut, da kommen wir ganz gut mit klar. Funktioniert aber auch nur dadurch, dass wir Zuschüsse in Anspruch nehmen, also die LAKS sei da als Beispiel genannt, aber auch andere. Damit kommen wir ganz gut über die Runden. Wir haben einen sehr aktiven Vorstand, der sich regelmäßig trifft und ich sag mal den Rahmen so absteckt, so dass hier immer was stattfinden kann, dass immer was los ist. Das funktioniert ganz gut. Und wir haben aber auch immer weiter gebaut in den Jahren. Wir haben den alten Güterschuppen zum Kinder- und Jugendzentrum ausgebaut. Und wir haben jetzt neu das gegenüberliegende alte Waschhaus zur Kreativwerkstatt ausgebaut. Im Moment bauen wir noch eine überdachte Aktionsfläche, damit wir im Sommer, wenn die Sonne scheint oder wenn es ein bisschen regnet auch draußen was machen können. Da wird’s noch Außenmöbel geben. Also wir entwickeln uns so ein Stück weiter.

Aber wir haben so den Eindruck, wir haben jetzt so den Höhepunkt erreicht. Für unsere ganzen Aktivitäten haben wir letzte Woche dem Deutschen Denkmalschutzpreis bekommen. Fühlten uns natürlich sehr geehrt. Das war so das Highlight in der Entwicklung des Hauses. Und jetzt ist unser Ziel so in einen, wir sagen Regelbetrieb, überzugehen. Indem wir das, was hier läuft versuchen in der Zukunft auch weiter fahren zu können.

 

Ja klasse. Da hast du mir fast schon die nächste Frage vorweggenommen. Ihr habt aber nicht nur in diesem Jahr den Deutschen Preis für Denkmalschutz 2022 erhalten, sondern ihr seid schon in vielfältiger Form honoriert wurden. Beispielsweise auch mit dem Preis „Alltagshelden“ 2014, der Kasseler Bank oder auch dem hessischen Wettbewerb „Aktion Generation“. Du hast glaub ich gesagt wie viele Ehrenamtliche ihr habt. Wie viele Mitglieder habt ihr so ungefähr?

Ja wir haben 230 Mitglieder und Tendenz immer noch steigend. Also wir haben immer so im Vorstand, muss darüber beschlossen werden wenn neue Mitglieder reinkommen, wir haben immer wieder neue Namen auf der Liste. So wird es auch heute Abend wieder sein, wenn wir Vorstandssitzung haben. Aber das ist so jetzt die Zahl, man muss halt wissen wir sind hier keine Großstadt, wir sind ein Dorf mit 1300 Einwohnern. Dafür ist das, find ich, schon ganz beachtlich.

 

Sind diese 1300 Einwohner ca. euer zentrales Publikum?

Nein. Das kann man nicht sagen. Es gibt schon Veranstaltungen, ich sag mal, wenn hier Seniorenkochen ist oder auch Veranstaltungen für die Kinder und Jugendlichen, da kommen die Leute aus dem Dorf. Aber wir haben viele Veranstaltungen, die nur regional funktionieren. Also ich sag mal die Kulturveranstaltungen, da kommen die Leute aus den Nachbardörfern, da kommen die Leute aus Hofgeismar. Da haben wir schon ein wesentliches größeres Einzugsgebiet. Das ist aus einem kleinen Dorf nicht leistbar. Da muss man seine Region schon größer definieren. Das tun wir aber und wir werben auch in einem größeren Kontext und das funktioniert ganz gut.

 

Ihr habt jetzt im Oktober 2022 den 125. Geburtstag des Bahnhofsgebäudes gefeiert. Und mal abgesehen von solchen sehr besonderen Ereignissen, welche Veranstaltung oder welches andere Ereignis ist dir denn sehr positiv im Gedächtnis geblieben?

Naja, wir haben tatsächlich eine Feier gemacht, weil nicht nur der Bahnhof 125 Jahre geworden ist, sondern auch unser Verein wurde auch 10 Jahre alt. Und wir haben dann mal so Revue passieren lassen, wir haben dann ja unseren Verein gegründet, um das Haus zu betrieben, aber wir haben auch viel gebaut. Und wir haben immer weiter gebaut. Wir haben 10 Jahre lang gebaut. Und das haben wir dann gefeiert und on-top dann den Deutschen Preis für Denkmalschutz auch für unsere Bauaktivitäten gekriegt. Also Denkmalschutz ist schon auch unser Thema. Wir haben immer alles mit der Denkmalpflege abgestimmt. Und, ja leben dieses Thema Denkmalschutz auch, aber das geht nur in der Kombi mit der Nutzung. Also ein altes Gebäude zeitgemäß zu sanieren und eine moderne Nutzung anzubieten ist der Schlüssel zum Erfolg. Und das ist das, was mir so am Meisten so imponiert hier.

 

Was würdest du sagen was sind eure Ziele für die nächsten 5 Jahre und was nehmt ihr euch vielleicht auch vor für die nächsten 20 Jahre?

Oh, ja das ist eine spannende Frage. Also für die nächsten 5 Jahre haben wir konkrete Ziele: wir wollen diese überdachte Aktionsfläche fertigkriegen, wir wollen das Waschhaus als Kreativwerkstatt stärker etablieren. Also nicht nur mit Kursen für Kinder und Jugendlichen, die laufen schon, die ersten Erwachsenenkurse laufen übrigens auch schon. Da soll noch erheblich mehr passieren. Dahinter wollen wir einen so genannten Willkommensplatz bauen, mit der Stadt Hofgeismar zusammen. Also ein Platz, wo Besucher des Hauses ankommen können, Wanderer, Fahrradfahrer. Man muss wissen wir sind Endhaltstelle der RegioTram. Also man kann im halbe-Stunde Takt von Kassel hierherfahren. Das nutzen Touristen die hier in die Gegend kommen, sollen da erstmal willkommen geheißen werden. Und wir werden dort eine Boule Fläche haben, also dieses Thema Boule spielen dann auch noch anbieten können. Und als nächstes haben wir die Fläche dahinter, da verhandeln wir gerade mit der Deutsche Bahn, die würde die Stadt gerne erwerben, um dort Parkplätze zu schaffen, um ein geordnetes Parken hier stattfinden zu lassen. Es parken viele Leute hier, das sollen sie auch. Kommen mit den Autos hier her und fahren mit der RegioTram dann weiter. Da hätten wir aber gerne geordnete Parkplätz, die wir dann aber abends auch für unsere Veranstaltungen nutzen können. Also auch da ist noch eine gewisse Perspektive sag ich mal. Ja und dann würde ich gerne noch stärker etablieren das Thema Kinder- und Jugendarbeit. Also unsere Veranstaltungen laufen ganz gut, aber ich glaube da ist noch einiges drin, was man da noch verstärken kann, noch verbessern kann. Und ansonsten geht es darum das ganze Thema, was wir jetzt erreicht haben zu verstetigen. Also dass es weiter so läuft mit den Veranstaltungen, es muss nicht mehr werden, es könnten mehr Leute kommen, aber die Anzahl ist glaube ich ausreichend. Und das immer wehrende Thema, das gilt für alle Häuser, ist die Finanzierung klarzukriegen und auch für die nächsten Jahre klarzukriegen. Das wär das so für 5 Jahre. Und für 20 Jahre denk ich auch das Verstetigen ist das Relevante. Das es uns dann auch in hoffentlich 20 Jahren hier noch gibt.

 

Gibt es noch etwas, was du unseren Zuhörenden vielleicht mitteilen möchtest?

Ja, mir und uns macht dieser Mix sehr viel Spaß. Also ich komme ja aus dem Kulturbereich. Ich hatte 1999 hier mal so eine Kulturinitiative gegründet im Ort, und wir haben in der Dorfscheune viele Kulturveranstaltungen gemacht, die finden jetzt zum großen Teil hier im Haus statt. Das ist sehr schön. Aber gerade auch in der Kombination mit Bildungsangebot, was die Volkshochschule hier macht, oder die evangelische Kirchengemeinde macht ihre Veranstaltungen, wir machen viel für Kinder und Jugendliche. Dieses Thema Generationenhaus ist mir sehr wichtig. Also nicht nur ein Angebot zu haben im kulturellen Bereich, sondern unsere Auslegung ist: Wir sind so vielfältig im Angebot wie es geht, aber wir sind auch für alle Generationen da. Wir reduzieren das nicht auf unser Alter, sondern gerade auch Kinder und Jugendliche, die hier reinwachsen sollen ins Haus und natürlich auch mal für ein Leben hier auf dem Dorf begeistert werden sollen. Die sprechen wir an und die wollen wir begeistern und motivieren. Also das gesamte Miteinander ist uns sehr wichtig hier im Haus.

 

 Vielen herzlichen Dank Peter und alles Gute!

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